original German poem
I.
Wenn ich nur wüßte,
Worauf dein letzter Blick ruhte.
War es ein Stein, der schon viele letzte Blicke
Getrunken hatte, bis sie in Blindheit
Auf den Blinden fielen?
Oder war es Erde,
Genug, um einen schuh zu füllen,
Und schon Schwarz geworden
Von soviel Abschied
Und von soviel Tod bereiten?
Oder war es dein letzter Weg,
Der dir das Lebewohl von allen Wegen brachte
Die du gegangen warst?
Eine Wasserlache, ein Stück spiegelndes Metall,
Vielleicht die Gürtelschnalle deines Feindes,
Oder irgend ein anderer, kleiner Wahrsager
Des Himmels?
Oder sandte dir diese Erde,
Die keinen ungeliebt von hinnen gehen läßt
Ein Vogelzeichen durch die Luft,
Erinnernd deine Seele, daß sie zuckte
In ihrem qualverbrannten Leib?
II.
Chor der Waisen
Wir Waisen
Wir klagen der Welt:
Herabgehauen hat man unseren Ast
Und ins Feuer geworfen –
Brennholz hat man aus unseren Beschützern gemacht –
Wir Waisen liegen auf den Feldern des Einsamkeit,
Wir Waisen
Wir klagen der Welt:
In der Nacht spielen unsere Eltern Verstecken mit uns –
Hinter den schwarzen Falten der Nacht
Schauen uns ihre Gesichter an,
Sprechen ihre Münder:
Dürrholz waren wir in eines Holzhauers Hand –
Aber unsere Augen sind Engelaugen geworden
Und sehen euch an,
Durch die schwarzen Falten der Nacht
Blicken sie hindurch –
Wir Waisen
Wir klagen der Welt
Steine sind unser Spielzeug geworden.
Steine haben Gesichter, Vater- und Muttergesichter
Sie verwelken nicht wie Blumen, sie beißen nicht wie Tiere –
Und sie brennen nicht wie Dürrholz, wenn man sie in den Ofen wirft –
Wir Waisen wir klagen der Welt
Welt warum hast du uns die weichen Mütter genommen
Und die Väter, die sagen: Mein Kind du gleichst mir!
Wir Waisen gleichen niemand mehr aud der Welt!
O Welt
Wir klagen dich an!
III.
Engel der Bittenden,
nun wo das Feuer wie ein reißendes Abendrot
alles Bewohnte verbrannte zu Nacht –
Mauern und Geräte, den Herd und die Wiege,
die alle abgefallenes Stückgut der Sehnsucht sind –
Sehnsucht, die fliegt im blauen Segel der Luft!
Engel der Bittenden,
auf des Todes weißem Boden, der michts mehr trägt,
wächst der in Verzweiflung gepflanzte Wald.
Wald aus Armen mit der Hände Gezweig,
eingekrallt in die Feste der Nacht, in den Sternenmantel.
Oder den Tod pflügend, ihn, der das Leben bewahrt.
Engel der Bittenden,
im Wald der nicht rauscht,
wo die Schatten Totenmaler sind
und die durchsichtigen Tränen der Liebenden
das Samenkorn.
Wie vom Sturm ergriffen, reißen
die mondverhafteten Mütter ihre Wurzeln aus
und mit Knistern der Greise Dürrholz verfällt.
Aber immer noch spielen die Kinder im Sande,
formen übend ein Neues aud der Nacht heraus
denn warm sind sie noch von der Verwandlung.
Engel der Bittenden,
segne den Sand,
laß ihn die Sprache der Sehnsucht verstehn,
daraus ein Neues wachsen will aus Kinderhand,
immer ein Neues!
IV.
Wenn der Tag leer wird
in der Dämmerung,
wenn die bilderlose Zeit beginnt,
die einsamen Stimmen sich verbinden –
die Tiere nichts als Jagende sind
oder gejagt –
die Blumen nur noch Duft –
wnn alles namenlos wird wie am Anfang –
gehst du unter die Katakomben der Zeit,
die sich auftun denen, die nahe am Ende sind –
dort wo die Herzkeime wachsen –
in die dunkle Innerlichkeit hinab
sinkst du –
schon am Tode vorbei
der nu rein windiger Durchgang ist –
und schlägst frierend vom Ausgang
deine Augen auf
in denen schon ein neuer Stern
seinen Abglanz gelassen hat –
V.
Der Schlafwandler
kreisend auf seinem Stern
an der weißen Feder des Morgens
erwacht –
der Blutfleck darauf erinnerte ihn –
läßt den Mond
erschrocken fallen –
die Schneebeere zerbricht
am schwarzen Achat der Nacht
traumbesudelt –
Kein reines Weiß auf Erden –